Aus dem Leben (2002)

Meine Kriegsdienstverweigerung für den Zivildienst

Diese Verweigerung sollte nicht einfach zum Kopieren benutzt werden. Ich möchte damit eigentlich allen angehenden Kriegsdienstverweigerern eine Anregung geben, falls sie eine Schreibblockade haben. So ging es mir nämlich am Anfang. Außerdem möchte ich anmerken, dass ich insbesondere den vorletzten Absatz heute nicht mehr in dieser Form ausdrücken würde, da ich inzwischen die Kirche – sowie Religion im Allgemeinen – differenzierter betrachte.

Links zu Zivi-Seiten mit weiteren Hilfen bei der Verweigerung sind auf meiner Zivi-Seite zu finden.


Bundesamt für den Zivildienst
50964 Köln
Hamburg, den 10. Juni 2002

Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer

Personenkennziffer: xxxxxx-H-xxxxxx

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit verweigere ich den Kriegsdienst unter Berufung auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung nach Artikel 4, Absatz 3, Satz 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.

Diesem Antrag ist beigefügt:

Mit freundlichen Grüß

Kristof Hamann


Darlegung der Beweggründe für meine Kriegsdienstverweigerung

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland legt in Artikel 4, Absatz 3, Satz 1 fest: Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Von diesem Grundrecht möchte ich Gebrauch machen und meine Beweggründe hier aufführen. Sie basieren auf meiner Lebenserfahrung, meiner persönlichen Auffassung und meinem Weltbild.

Schon in meiner Erziehung legten meine Eltern viel Wert darauf, mich zu rücksichtsvollem und toleranten Verhalten gegenüber meinen Mitmenschen zu erziehen. Sie brachten mir bei, dass man Konflikte auch ohne Anwendung von Gewalt lösen kann. Ich habe gelernt, dass das Menschenleben unbezahlbar ist und niemand das Recht hat, über ein anderes Leben zu bestimmen oder es zu verletzen. Diese Tatsache ist sogar als Grundrecht im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verankert; Artikel 1, Absatz 1 lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Diese Aussage über die Menschenwürde gilt als Basis für alle weiteren Grundrechte, wie sie im Grundgesetz aufgeführt werden. Ihre Wichtigkeit ist somit offenkundig. Die Pflicht einen Wehrdienst zu absolvieren macht mir jedoch große Sorgen und ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Dienst an der Waffe dient nämlich dazu, den Einsatz dieser Waffe gegen Menschen vorzubereiten. Doch gerade dies ist ein Handeln gegen das Grundgesetz, welches die Menschenwürde als unantastbar bezeichnet. Es ist mir nicht möglich über ein solches Vergehen hinweg zu sehen und einen Menschen zu töten. Statt dessen würde ich auf eine andere Weise eine Konfliktlösung erzielen um den Einsatz von Gewalt zu vermeiden.

Ich besuchte von der ersten bis zur zehnten Klasse die Albert-Schweitzer-Schule, die den Titel Gesamtschule besonderer pädagogischer Prägung trägt. Auf dieser Schule wird nach dem Waldorf-Prinzip gearbeitet, was bedeutet, dass die Lehrer sehr großen Wert darauf legten, uns zu sozialem und tolerantem Handeln zu erziehen. Ich kann mich erinnern, dass Streitigkeiten, die drohten in Gewalt auszuarten, durch meine damalige Klassenlehrerin sofort unterbrochen wurden. Die betroffenen Schüler mussten aufeinander zugehen, sich die Hand geben und entschuldigen. Anschließend wurde eine Lösung des Konfliktes gesucht, in dem gemeinsam über die Ursachen und einen Kompromiss nachgedacht wurde. Dieses Verfahren hat mir gezeigt, dass es immer auch einen zweiten Weg gibt. Daher frage ich mich, warum soll ich das Prinzip des Krieges unterstützen, bei dem viele Menschen leiden müssen – oft sogar Menschen, die gar nicht in den Konflikt involviert waren – wenn es statt dessen noch den gewaltfreien Weg gibt, bei dem niemand leiden muss.

Aber nicht nur dieses Argument spricht gegen die Praktizierung von Krieg. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass Gewaltanwendung nicht dem Frieden dienen kann. Auch wenn es im ersten Moment gelingt, den Gegner durch Gewalt zu schlagen, so ruft jede Gewaltanwendung immer eine Gegenreaktion hervor. Der Hass des anderen wird verstärkt und eines Tages wird er mit geballter Kraft zurückschlagen und wiederum neues Elend auslösen. Es entsteht ein Teufelskreis, der zur Folge hat, dass ein Konflikt niemals gelöst wird, sondern im Gegenteil regelmäßig auf beiden Seiten neue Verluste und Opfer fordert. Ein dauerhafter Frieden kann nur dann erreicht werden, wenn Konflikte rücksichtsvoll im gegenseitigen Dialog behoben werden.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es sehr schmerzhaft sein kann, wenn man sich aus Versehen verletzt, z.B. wenn beim Schneiden das Messer abrutscht. Es klingt für mich völlig absurd, dass ich nun bei dem Wehrdienst eine andere Person mit totaler Absicht verletzen soll – obwohl ich mir darüber bewusst bin, dass dieser Mensch Qualen erleiden wird oder gar sterben muss. Ich halte mir dann immer vor Augen, wie es wäre, wenn ich dieser Mensch bin. Sogar die Vorstellung daran, dass ich einen anderen Menschen mit Absicht verletzen oder gar töten soll, bringt mir ein schlechtes Gewissen. Im Konfirmanden-Unterricht in der Evangelisch-Lutherischen Philemon-Kirche in Hamburg-Poppenbüttel hat uns der Pastor viele wichtige Dinge beigebracht. Dazu gehören natürlich auch die Zehn Gebote, eine grundlegende Richtlinie für das Christentum, in welchen unter anderem steht: Du sollst nicht töten. Diese Jahrtausende alte Vorschrift hat nicht an Bedeutung und Wahrheitsgehalt verloren. Es ist wie für jeden eine Pflicht für mich, die auf keinen Fall missachtet werden darf.

Ich hoffe, meine Gründe zur Kriegsdienstverweigerung verständlich dargelegt zu haben, und bitte darum, meinen Antrag auf Verweigerung des Kriegsdienstes aus Gewissensgründen gemäß Artikel 4, Absatz 3, Satz 1 des Grundgesetzes anzuerkennen.